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Effektives Beschwerdemanagement und Angehörige

Beschwerdemanagement, Altenhilfe

Sorgen und Nöten von Angehörigen empathisch begegnen – effektives Beschwerdemanagement in Einrichtungen der Pflege

Heimleitungen und Pflegedienstleitungen stehen häufig auf dem Standpunkt, dass es eine Auszeichnung ist, keine oder wenig Beschwerden im Kalenderjahr zu verzeichnen.

Da möchte ich gern andere Akzente setzen, denn ein lernendes Unternehmen hat eine Vielzahl von Beschwerden/Verbesserungsmöglichkeiten zu bearbeiten.

Eine Beschwerde ist erst einmal nur der Ausdruck eines Verbesserungsbedarfs und keine Eskalation – wie es so manches Mal in der Angehörigenbegleitung passiert wenn Strukturen eines Pflegeheims/ambulanten Pflegestation auf die individuellen Wünsche und Vorstellungen von Angehörigen prallen.

Im Seminar mit Mitarbeitern schauen wir uns gemeinsam die empathische Beschwerdeannahme des Verbesserungsbedarfs an.

„Schwester, warum haben Sie meine Mutter heute wieder nicht in den Sessel gesetzt“ – das hören so manches Mal Mitarbeiter in der Pflege und erleben dabei die unterschiedlichsten Kontakte mit Angehörigen. Da ist Flexibilität und Empathie gefragt.

Schon beim Einzug ist die unbekannte Situation, die mit dem Umzug in eine Pflegeeinrichtung entsteht, nicht leicht für alle Seiten.

Langjährige Mitarbeiter der Einrichtung wissen, dass es dauern kann, auch 6-9 Monate, bis der alte Mensch wirklich – auch innerlich – in der Einrichtung ankommt.

Bekommen Angehörige nicht die richtige Unterstützung für die beste Kommunikation zu Beginn des Versorgungsauftrags, gibt es Probleme und zwar längerfristige.

Eine häufig wiederkehrende Situation die Mitarbeiter erzählen: Angehörige versichern in ihrer Hilflosigkeit der Mutter/dem Vater „Du schaust es Dir erst einmal nur an und wenn es Dir nicht gefällt, finden wir eine andere Lösung“. So sorgen sie unwissentlich für das Problem. Denn nun sitzt der/die BewohnerIn innerlich auf gepackten Koffern und wartet, dass er/sie abgeholt wird. Damit werden Bindungsversuche und Beschäftigungen abgelehnt, Gemeinschaftsunternehmungen nicht besucht, da „man ja sowieso bald wieder geht“. Dadurch dauert die Eingewöhnung noch länger, wird schwieriger und eine anfänglich vielleicht leichte dementielle Entwicklung verstärkt sich – unter Umständen, nicht zwangsläufig.

Aufnahmegespräch und Einzug

Der Eingewöhnungsprozess beginnt zwar mit dem Aufnahmegespräch, doch damit ist nur der Anfang gemacht. Gespräche führen mit Angehörigen, direkt mit Zeiteinsatz und im Vorbeigehen sind essentiell für eine gute Angehörigenbindung.

Zwei Verbesserungsideen, die ohne Zeitaufwand schnell erreicht werden können

  1. Delegation des Aufnahmegesprächs in den Wohnbereich
  2. Mitarbeiter an die empathische Gesprächsführung erinnen, die zumindest jede Fachkraft in ihrer Ausbildung erlernt hat, damit ein zeitnaher, effektiver Gesprächskontakt mit Angehörigen aufgebaut und erhalten werden kann

In Einrichtungen der Altenpflege höre ich in den Seminaren zum Thema Beschwerdemanagement häufig, dass die Aufnahmegespräche Leitungsaufgabe sind. Das ist sicher gut gedacht.

Für ein besseres Beschwerdemanagement möchte ich das gerne hinterfragen.

Jede Führungsebene hat einen anderen Blick auf die Arbeitsabläufe am Tag

Denn im Sinne von Tagesablauf, Tagesstruktur, Problembereiche ist die Sicht einer Leitung auf ihre Einrichtung komplett anders, als z.B. die Sicht der Wohnbereichsleitung. Sender und Empfänger einer Nachricht haben immer unterschiedliche Standpunkte. So manches Mal können allein dadurch Konflikte entstehen, dass eine sehr zugewandte Leitung persönliche Wünsche von Angehörigen nicht klar beantwortet, sondern die Flexibilität des Wohnbereichs im Tagesablauf zu bestimmten Themen in Aussicht stellt. Der/die Angehörige als Empfänger der Nachricht hört dann natürlich eine klare Antwort und geht mit dieser Erwartungshaltung in den Kontakt mit Mitarbeitern.

Natürlich ist das nicht immer so, doch es ist ein Weg wie unglückliche Zusammentreffen zwischen Angehörigen und Mitarbeitern im Wohnbereich entstehen.

Empathische Gesprächsführung nach C. Rogers (Beispiel), Mitarbeitergespräche, Rückkehrgespräche usw. gehören in den Wissensbereich der WBLs … warum nicht auch die Erst- bzw. Aufnahmegespräche mit den Angehörigen in den Wohnbereich direkt delegieren?

Zusätzlich gibt es viele gute Gründe, diese Erstgespräche für den Wohnbereich an eine Pflegefachkraft zu delegieren, alle Fachkräfte sind geschult in Beratungsgesprächen nach Expertenstandard des DNQP.

Der große Vorteil: es entsteht eine direkte Angehörigenbindung im Wohnbereich selbst. Ansprechpartner sind direkt erreichbar – und nicht nur als Beschwerdeannehmende.

Der ideale Aufbau der haltbaren und langfristigen Angehörigenbeziehung

beginnt mit dem Angebot der Dienstleistungen im Wohnbereich und dem Kundtun der Bereitschaft zur Kooperation. Die Verstärkung der „Mitarbeiter-Bewohner-Angehörige“-Zusammenarbeit kann durch mehrere Stufen von Gesprächsthemen gestärkt werden, die aufeinander aufbauen.

  • solch ein Gespräch dauert idealerweise ca. 15 min. Es kann beginnen mit den allgemeinen Informationen zum Stationsablauf, Tagesstruktur mit Klärung der allgemeinen Fragen zur Bewohnerbiografie
  • ein zweiter Gesprächstermin beschäftigt sich mit der speziellen Bewohner-/Elternbiografie. Die Verantwortung zur Zuarbeit der Angehörigen zum Wohle der Eltern wird besprochen und hier gibt es die Gelegenheit, die Wünsche der Familie zu erörtern
  • der dritte Gesprächstermin konzentriert sich auf den Vertrauensaufbau
  • die Sichtweise von Angehörigen verstehen – gute Angebote dazu und ein unglaublich großer Informationsschatz findet sich bei „Pflege durch Angehörige“

Angehörigenberatung ist das A und O

Die Angehörigenberatung und -anleitung soll Angehörige in ihrer Situation unterstützen, Verständnis für Pflege- und Betreuungsmaßnahmen wecken und Feedbackgespräche ermöglichen.

Bewährt hat sich auch eine regelmäßige Angehörigensprechstunde im Wohnbereich anzubieten. Eine Möglichkeit: jeden 2. Dienstag im Monat sind von 14 – 15 Uhr 2 Termine buchbar. Die Fachkraft, die sich darauf einrichtet, hat sicher kein Problem, wenn einmal kein Termin verbucht ist. Es gibt immer etwas zu tun. Wird dieses Angebot im wöchentlichen Ablauf lebendig beworben, können alle zeitlich nicht dringenden Gespräche in die Sprechstunde ausgelagert werden. Die Einführung einer Angehörigensprechstunde dauert sicher etwas bis es angenommen wird und braucht deshalb Geduld. Es lohnt sich jedoch. Denn auf jeden Fall spart eine Angehörigensprechstunden unterm Strich viel Zeit und Unzufriedenheiten können prophylaktisch bearbeitet werden, bevor es zu einer Eskalation kommen kann. Somit sind auch u.U. überforderte Mitarbeiter im Kontakt mit unzufriedenen Angehörigen geschützt.

Es liegt an den Angehörigen, wie sie die Angebote annehmen können. Die Aufgabe der Einrichtung ist da Angebot.

Fakt ist und bleibt, dass unsere Ziele, Bewohner sollen in der Einrichtung ihr neues Zuhause finden, ohne die entsprechende Unterstützung der Familie nur schwer zu erreichen sind. Denn Familie und auch Freunde der Bewohner bieten elementaren Rückhalt im gesamten Betreuungs- und Pflegeprozess.

Soweit zu ersten Prophylaxe-Maßnahme für ein gutes Beschwerdemanagement

Der nächste Schritt

Dieser ist noch effektiver, bedeutet jedoch etwas mehr Aufwand: Mitarbeiterschulung braucht finanzielle und personelle Ressourcen. Wenn dadurch jedoch die leidvolle und anstrengende Zeit der Konfliktlösung mit Angehörigen eingespart wird, ist viel Zeit gewonnen. Wer schon solche Konflikte erlebt hat und die Stunden der Verhandlung mit Mitarbeitern und Angehörigen zusammenrechnet, kommt auf eine stattliche Summe Zeit. Nicht zu sprechen von der emotionalen Unruhe im Wohnbereich.

Schulungen zum Gesprächsaufbau für eine empathische Beschwerdenannahme lohnen sich. Des Weiteren ist es wichtig Mitarbeitern die Möglichkeiten an die Hand zu geben, die rechtlichen Aspekte einer Beschwerde im Vorfeld zu klären. Eine Hilfe bietet die Unabhängige Patientenberatung. Die Weiterleitung der Beschwerde an eine zentrale Stelle, die Beschwerden sammelt, sie Kategorien zuweist und einen Überblick schafft ist, eine weitere Aufgabe für ein effektives Beschwerdemanagement. Unterstützung im Beschwerdemanagement findet sich auch in Standardpflegeplänen des PQSG. Demzufolge ist das Wichtigste:

Jede(r) MitarbeiterIn kann gut informiert ein empathische(r ) BeschwerdeannehmerIn werden.

Das ist der erste Streich – der zweite folgt sogleich:

Im Rahmen des betrieblichen Beschwerdemanagements folgt nun

  • die Weiterleitung der Beschwerde in die betroffenen Bereiche zur Erörterung von Lösungsoptionen
  • die Sammlung der Beschwerdegründe für eine Übersicht
  • eine zentrale Erfassung aller Beschwerden und deren Lösungen

Denn ein gutes Beschwerdemanagement in Einrichtungen der Pflege bietet jährlich eine Vielzahl von Beschwerden, die das lernende Unternehmen dazu befähigen, Probleme zu lösen und besser zu werden.

Wie das Beschwerdemanagement vor Ort in der eigenen Einrichtung effektiv gestaltet werden kann wird im Seminar in Fallstudien bearbeitet

oder Prophylaxe:

Beratungsgespräche führen – Bindung stärken zu Bewohnern und Angehörigen

Hinweis der Dozentin: Jeden Beitrag habe ich gemäß meiner Erfahrung und meines Wissens geschrieben. Seit 23 Jahren sehe ich in meinen Seminaren als Dozentin für Pflegeberufe jährlich >1500 Mitarbeiter. Für Stammkunden – teilweise über Jahre – arbeite ich an den Konzepten der Mitarbeiterentwicklung mit. Aus diesem Blickwinkel sind meine Beiträge entstanden und das Angebot meines Wissens. Manche Vereinfachung von Sachverhalten, auch kleinere Unschärfen gehen an die Kürze und leichte Verständlichkeit der Berichte. Ein Blick in meine Seminarausschreibungen geben mehr und genauere Informationen, mehr noch in den Seminaren selbst. Andere Berufsgruppen in der Bewohner- und Patientenversorgung mögen eine unterschiedliche Sichtweise haben, die ich schätze und auch gerne für beide Seiten bereichernd diskutiere. Schreiben Sie an info@horvath-pflege.com.

 

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