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Gibt es eine zufriedenstellende Abschiedskultur im Pflegeheim?

Sterben eine Zeit des Lebens

Wie können Mitarbeiter im Pflegeheim die letzte Lebenszeit förderlich begleiten, eine Abschiedskultur installieren? Denn Sterben ist eine Zeit des Lebens.

Durch die Pandemie ist das Sterben mehr in die Aufmerksamkeit der Gesellschaft gerückt. Sterben in Einrichtungen der Pflege und Betreuung wird mehr beachtet.

Das Handelsblatt veröffentlichte am 05.07.22 einen Aufruf der Deutschen Stiftung Patientenschutz, die fordert Maßnahmen für eine verbesserte Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen. Auch mahnt sie an, dass mangels genügend Personal und defizitären Arzt- und Pflegemanagement die letzten Lebenszeit für einen Menschen oft wie ein Verschiebebahnhof anmutet: zwischen Klinik und Pflegeheim hin- und herüberwiesen ist dieser Lebensabschnitt für den Betroffenen und seinen Angehörigen oft unruhig, stressreich, voll mit Fragen und wenig Antworten und vor allem fehlt die seelische Unterstützung die dann am notwendigsten ist.

Der AOK-Pflegereport 2022 geht in seinem Bericht zu den „Speziellen Versorgungslagen in der Langzeitversorgung“ genauer darauf ein.

„Sterben – eine Zeit des Lebens“ ist (fast) mein ältestes Tagesseminar

Vor 23 Jahren habe ich teils ehrenamtlich für das ambulante Hospiz des DRK in Berlin-Wedding gearbeitet und für Hospizmitarbeiter Seminare gestaltet. Am Bedarf der Mitarbeiter entstand dieses Grundlagen-Seminar. Allerdings hat sich der Bedarf nicht geändert, die Seminarinhalte jedoch schon. Seit 23 Jahren erlebe ich anhaltend die gleichen Fragestellungen für eine gute Abschiedskultur in Einrichtungen der Pflege. Sowohl in der Akutversorgung im Krankenhaus, als auch in der Langzeitversorgung im Pflegeheim oder beim Hausbesuch ambulant.

Passend zu den Aufgabengebieten der einzelnen Mitarbeiter kommen Schwerpunkte bevorzugt zur Sprache.

Die Bandbreite erstreckt sich von Supervisionselementen für Mitarbeiter die in einer Klinik arbeiten, die Patienten zur Organentnahme mit dem Hubschrauber in den OP bekommen, bis zur Begleitung der letzten Lebensstunden bei Menschen mit geistigen und körperlichen Einschränkungen, die anders alt werden, wie z.B. Menschen mit Demenz – also auch einen anderen Bedarf haben für eine Abschiedskultur.

Fünf Säulen für eine hilfreiche Abschiedskultur

Diese fünf Themen begegnen mir in unterschiedlicher Ausprägung und Fragestellung in JEDEM Seminar zum Thema Sterbebegleitung. Für eine kompetente Begleitung habe ich viele, viele Lösungsansätze in vielen Jahren gesammelt. Das Thema wird 7-10x/Jahr bei mir gebucht. So kann ich mit jeder Mitarbeitergruppe die Lösungen erarbeiten, die für die Abschiedskultur in ihrer Einrichtung die passende und machbare ist.

Auf der sicheren Seite sind Leitungsmitarbeiter wenn sie mit ihren Mitarbeitern zu den folgenden Themen eine Antwort/eine Haltung finden und dies in einem Pflegestandard festigen:  

  1. klar dokumentierte Handlungsleitlinien für die pflegerische Entscheidung ob der Bewohner/Patient noch kurativ oder schon palliativ versorgt wird.

Wann fällt die Entscheidung zur Beendigung der kurativen Pflege und zur Aufnahme der palliativen Pflege? Und vor allem wer fällt die Entscheidung! Gibt es Entscheidungshilfen? Checklisten? Sind seitens des Pflegeheims/der Klinik Vorbereitungen getroffen worden? Oder hat der sterbende Mensch in einer Einrichtung einfach nur Glück, wenn der Arzt das Palliativpflegeteam verordnet? Vielen Mitarbeitern kommt es zumindest so vor.

Das Hospiz- und Palliativpflegegesetz gilt seit dem 8.Dezember 2015. Seit 2019 gibt es bundeseinheitliche Zusatzentgelte für alle Dienstleister in diesem Bereich. Wesentlich sichtbare Veränderungen im Pflegeheim sind für Mitarbeiter häufig auch 2022 nicht zu sehen.

Als Dozentin erfahre ich meist die Sichtweise der Mitarbeiter, daher mein spezieller Fokus: In den wenigsten Einrichtungen der Langzeitversorgung gibt es einen Standardpflegeplan der den Mitarbeitern die Entscheidung im Team vereinfacht, die kurative Pflege zu verlassen und die palliative Pflege aufzunehmen – natürlich gilt die Absprache immer gemeinsam mit dem behandelnden Arzt. Krankenhäuser scheinen etwas besser aufgestellt zu sein, die haben dafür meist keinen Standardpflegeplan zur Palliativpflege. Diese beschränkt sich im Krankenhaus meist auf die therapeutische Schmerzkontrolle (Medikamentengabe + strukturierte Krankenbeobachtung) nach den WHO-Kriterien, die begleitende Pflege zur pflegerischen Schmerzreduktion kommt oft zu kurz.

  1. kompetente Palliativpflege und Schmerzkontrolle (Auch hier meine Sichtweise als externe Dozentin!)

So gut wie jedes Thema der Grund- und Behandlungspflege kann aus der kurativen Pflegeperspektive betrachtet und durchgeführt werden – oder halt auch palliativ, leidenlindernd. Ist die Entscheidung für „palliative Versorgung“ gefallen, richtet sich das Hauptaugenmerk der Mitarbeiter auf die wertvollen Kleinigkeiten des verbliebenen Lebensabschnitts für den Betroffenen.

Es muss jedoch eine Entscheidung darüber gefällt werden, die in der Dokumentation sichtbar ist, damit alle Mitarbeiter eine Handlungssicherheit haben. Leider fehlt die häufig.

Desgleichen wird ein weiterer Sachverhalt in den Seminaren schnell sichtbar: häufig kennen nichtexaminierte Pflegekräfte den Unterschied kurativ/palliativ weder in Theorie, noch in der Praxis – woher auch, wenn sie keine Anleitung, keine Schulung dazu hatten.

Ein weiterer Punkt der verbesserungswürdig erscheint: abhängig vom Kenntnisstand des externen, behandelnden Arztes wird in der Langzeitpflege die Schmerzkontrolle nach dem WHO-Stufenschema durchgeführt – oder auch nicht. Manchmal sehe ich abenteuerliche Schmerzverordnungen, deren Sinn sich – gemessen am WHO-Schema – nicht eröffnet.

Der Expertenstandard des DNQP zum Schmerzmanagement gibt klare Hinweise zur Krankenbeobachtung Schmerz mittels NRS, Baker-Wong oder auch dem BESD bei Demenz für die Kommunikation mit dem Arzt, der damit eine angepasste Schmerzkontrolle durchführen kann. Auch da ist noch viel Luft nach oben.

  1. seelsorgerliche Gespräche

Die Sorge um die Seele ist ein Privileg aller Gesundheitsberufe, die eine Mitarbeitergruppe mehr, die andere weniger.

Wo Physiotherapeuten/Krankengymnasten während der oft belastenden Rehabilitationsübungen viel zu den Ängsten und Nöten von Betroffenen erfahren und Mut machen, Trost spenden.

Ärzte, Pflege- und Betreuungskräfte sind in Einzelgesprächen oft ganz nah – und manchmal auch hilflos. Nachtwachen können viel erzählen.

Fürsorgliche seelsorgerliche Gespräche sind auch für Angehörige sehr wichtig und tröstend. Gute Angebote für Angehörige und ein unglaublich großer Informationsschatz findet sich bei „Pflege durch Angehörige“.

Geistliche Vertreter haben diese Art von Gesprächsgestaltung gelernt, Mitarbeiter in Pflege und Betreuung profitieren sehr davon, wenn sie lernen mit den Basisängsten von Sterbenden im Gespräch umzugehen.

  1. Abschiedskultur und Umgebungsgestaltung für die letzten Tage/die letzten Stunden, danach

Sind Träger von Pflegeeinrichtungen christlich orientiert, ist auch die Abschiedskultur christlich geprägt. Heutzutage sind jedoch mehr und mehr Menschen, Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter nicht mehr christlich verbunden. So fehlen tröstende Rituale, Gebete, Meditation.

Ein „Abschiedskoffer“ kann da helfen. In diesem Koffer sammeln sich alles hilfreichen Dinge, Musik, Geschichten, Gebete, Blumenvase, Schale, Bildträger usw. alles was für eine rasche Umgestaltung der Bettumgebung nützlich sein kann.

  1. Zusammenarbeit mit dem Arzt und Palliativpflegeteam

Kommunikation zwischen Therapie und Pflege ist das A und O für ein gelungenes Patienten-/Bewohnermanagement im letzten Lebensabschnitt. Auch da sind noch viele Verbesserungen nötig. Nach einem Assessment der Gegenwartssituation kann ich viele Ideen geben für eine Verbesserung. Unterstützung suchen bei Pflegestandards und Standardpflegeplänen zur Palliativpflege des PQSG.

Seminarplanung für Palliativpflege und Sterbebegleitung in Einrichtungen der Pflege für alle Mitarbeitergruppen lohnt sich

Jede Mitarbeitergruppe hat ihren speziellen Zugang zum abschiednehmenden Bewohner.

Hinweis der Dozentin: Jeden Beitrag habe ich gemäß meiner Erfahrung und meines Wissens geschrieben. Seit 23 Jahren sehe ich in meinen Seminaren als Dozentin für Pflegeberufe jährlich >1500 Mitarbeiter. Für Stammkunden – teilweise über Jahre – arbeite ich an den Konzepten der Mitarbeiterentwicklung mit. Aus diesem Blickwinkel sind meine Beiträge entstanden und das Angebot meines Wissens. Manche Vereinfachung von Sachverhalten, auch kleinere Unschärfen gehen an die Kürze und leichte Verständlichkeit der Berichte. Ein Blick in meine Seminarausschreibungen geben mehr und genauere Informationen, mehr noch in den Seminaren selbst. Andere Berufsgruppen in der Bewohner- und Patientenversorgung mögen eine unterschiedliche Sichtweise haben, die ich schätze und auch gerne für beide Seiten bereichernd diskutiere. Schreiben Sie an info@horvath-pflege.com.

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