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Gute Pflege und Betreuung bei Morbus Korsakow

Morbus Korsakow Pflege Demenz

Morbus Korsakow – eine Demenzerkrankung mit vielen Herausforderungen

Menschen mit M. Korsakow in der Chronikerversorgung sind oft bei den Mitarbeitern im Pflegeheim gefürchtet, da sie die Pflege- und Betreuungskräfte manchmal an die Grenzen der Hilflosigkeit bringen. Gute Pflege und Betreuung bei Morbus Korsakow erfordert viele Ideen, innere Flexibilität, Freude an Herausforderungen, einen gesunden Humor und die Bereitschaft zu intuitiven Lösungsansätzen.

Akute Symptome und Langzeitfolgen bei Korsakow-Demenz

Das Korsakow-Syndrom bezeichnet eine Form von Demenz, die durch einen Mangel an Thiamin (Vitamin B1) ausgelöst wird. Der extreme Thiamin Mangel stammt meist von hohen Alkoholkonsum über einen längeren Zeitraum. Dabei finden sich irreversible neurologische Folgen die mit Leistungsfunktionsstörungen einher geht.

Deshalb wird gute Pflege und Betreuung bei einer Korsakow Demenzerkrankung schon im frühen Stadium der Diagnose wichtig.

Zuerst ist das Kurz- und Ultrakurzzeitgedächtnis betroffen. Kurze Nutzung von Konfabulationen zeigen, dass Betroffene den Gedächtnisverlust spüren und versuchen zu kompensieren. Ein früh eintretendes Selbstversorgungsdefizit sorgt für Mangelernährung und Essstörung, Muskeleiweißverlust und damit einhergehende Sturzgefahr. Menschen mit M. Korsakow sind früh auf allen Ebenen unterstützungsbedürftig.

Korsakow Syndrom und Alkoholmissbrauch

Dazu kommt, dass viele im Laufe der Suchterkrankung gezwungen waren ein Leben zu führen, das von Mangel und finanziellem Kampf geprägt war. Dementsprechend ist die Wortwahl und die Reaktion auf Reize aus der Umgebung meist sehr deftig ausgeprägt. Des weiteren kann bei der Entwicklung einer  frontotemporaler Demenz Aggressionen, enthemmtes Verhalten und emotionale Unberechenbarkeit der Patienten/Bewohner beobachtet werden. Ein untrügliches Gefühl für Würde und Respekt, vor allem wenn es nicht gewahrt wird, trifft auf die Bereitschaft den eigenen Standpunkt emotional zu verteidigen. Durch die Suchterkrankung ist das Leben im sozialen Kontext erschwert.

Verdacht auf die Entwicklung eines M. Korsakows kommt also auf bei den ersten Anzeichen von extremer Müdigkeit, frühe Leistungseinbrüche, plötzlich auftretende Aggression und Affektlabilität.

Desgleichen sind Langzeitfolgen wie Gedächtnisverlust an markante Situationen im Leben zu beobachten. Im weiteren Verlauf ist der Verlust der Persönlichkeit zu beobachten, mit Wesensveränderungen mit Stimmungsschwankungen.

Sehr häufig geht dem Korsakow-Syndrom die sogenannte Wernicke-Enzephalopathie voraus mit

  • Seh- und Augenbewegungsstörungen
  • Probleme mit Bewegungsabläufen wie dem Gehen
  • Generelle Verwirrtheit, Bewusstseins- und Gedächtnisstörungen

Da die Symptomatik auch in die Zeit des Alkoholmissbrauchs fällt, werden die Symptome oft falsch gedeutet.

Und: Menschen mit Morbus Korsakow sind meist sehr schwierige Charaktere – das ist der Kern der Aussage von Mitarbeitern, die Demenzerkrankte mit Korsakow Syndrom betreuen.

Morbus Korsakow und die optimale therapeutische Pflege

Chronisch mehrfachgeschädigte Alkoholkranke mit Amnestischem Syndrom können sehr wohl aktiv im Tagesablauf teilnehmen, wenn:

  • Mitarbeiter wertschätzend sind, Respekt zeigen und Sicherheit vermitteln
  • angemessene Strukturen und Rahmenbedingungen zu den Wahrnehmungsstörungen passen
  • passende Lebensräume zur Förderung der Selbständigkeit zur Verfügung stehen und
  • Bezugspersonen die kognitiven Störungen akzeptieren, verstehen und danach handeln, alle Teammitglieder ein Kommunikationskonzept haben
  • körperliche und psychosoziale Ressourcen gefördert werden, Leistungseinbrüche und temporäre Passivität durch die Mitarbeiter akzeptiert werden
  • die Planung von angemessener, angepasster, kognitiver Förderung Teil des Pflegekonzepts ist, gute Hinweise finden sich im PQSG
  • die Tagesstruktur mit entsprechenden Orientierungshilfen nachvollziehbar ist
  • Mitarbeiter regelmäßige Fortbildungen ggf. Supervisionen besuchen können und Fallbesprechungen durchführen, damit sie eine einheitliche Vorgehensweise entwickeln können, die Sicherheit und Zuverlässigkeit bietet
  • Hilfe und Unterstützung findet sich in Pflegestandards zum Thema beim PQSG
  • ggf. entstehende Langeweile und Apathie begegnen mit wunderhübschen Demenzpuppen, interessanten Beschäftigungsmaterialien und Hilfsmittel gibt es bei 37°

Ein Wort zu Morbus Korsakow und Respekt

Als Pflegefachkraft habe ich u.a. in einer Entgiftungsstation für (hauptsächlich) Alkoholentzug gearbeitet und – für die folgenden Anmerkungen auch wichtig – in einer interdisziplinären Rettungsstelle.

Ob Pflegekraft, Arzt oder ein anderes Aufgabengebiet im Gesundheitswesen: wer gewillt ist zu lernen, lernt mit jeder Patientenversorgung für die nächste Versorgung.

  • Und so kann ich von einem alkoholkranken Patienten berichten, der als sogenannter „Drehtürpatient“ zigmal in der Entgiftungsstation landete. Der erzählte mir bei einem Pflegegespräch, dass er leider nicht mehr betrunken wird. Er schilderte das Gefühl, dass der Körper nicht mehr funktioniert, er liegt auf der Straße, alle denken er sei bewusstlos und er ist total klar, hört alles und kann nur nicht darauf reagieren.
    • Dieses Wissen hat mir in der Rettungsstelle sehr genutzt. Wenn alkoholisierte Patienten von Rettungssanitätern gebracht werden, geht es oft sehr dramatisch zu – alkoholisierte Patienten neigen zum Toben da sie aufgeputscht sind. Junge Rettungssanitäter reagieren manchmal ungünstig, werden unhöflich, schreien den Patienten an und fassen grob zu. Es ist auch nicht einfach für diese Berufsgruppe, den körperlichen Aufnahmestatus muss ich nicht erwähnen, den kann sich jeder in diesem Beruf vorstellen. Der körperliche Zustand im pathologischen Rausch macht es überdies schwierig für die Mitarbeiter, die den sicheren Transport gewährleisten müssen.
    • Bevor Patienten ihren pathologischen Rausch ausschlafen können, gibt es eine vollständige Untersuchung, die mit den Vitalzeichen und einer Blutentnahme beginnt. Die beiden letzten Maßnahmen sind die Aufgabe der Pflegekräfte. Ich habe mich in meinem ersten Fall von pathologischem Rausch an die Geschichte des Patienten von der Entgiftung erinnert und habe es ausprobiert. Mit respektvoller Ansprache mit „Sie“ und vollem Namen und Information zu den geplanten Pflegemaßnahmen hat mir überraschenderweise der bewusstlos erscheinende Patient, der zuvor getobt hat, den Arm für die Blutentnahme gereicht. Diesen „Erfolg“ habe ich weiter ausgebaut und hatte meinerseits nie Probleme mit alkoholisierten Menschen in meinem Beruf.

Meine Erfahrung als Dozentin nutzend, stelle ich die Frage in den Raum für Führungskräfte, die eine gute, machbare Lösung für Pflege und Betreuung im Wohnbereich, auf einer Entgiftungsstation oder in einer Rehaklinik suchen:

  1. Wie stehen die Mitarbeiter zum Thema Sucht und Betreuung von Menschen mit Kontrollverlust, sind sie gemeinsam gut geschult?
  2. demzufolge gibt es für die Mitarbeiter einen Unterschied in Pflege und Betreuung auf der Ebene des Respekts gegenüber Alkoholerkrankten, Drogenabhängigen, Medikamentenabhängigen (in der Altenpflege hauptsächlich Beruhigungsmittel), übergewichtigen Diabetikern, Herzerkrankten, Gelenkerkrankten die aufgrund ihres chronischen Übergewichts im Rollstuhl gelandet sind? Sind Essstörungen – wenn sichtbar – ein Problem? Verhalten sich Mitarbeiter wertend?
  3. Sind die Mitarbeiter geschult in empathischem Verhalten bei herausforderndem Verhalten wie Aggression?
  4. Gibt es einheitliche, abgesprochene Vorgehensweisen im Team?

Meine Empfehlung wenn Sie die Versorgung von Bewohnern mit Morbus Korsakow verbessern wollen: Wenn Sie auch nur eine der Fragen mit „Vielleicht“ beantworten, lohnen sich Schulungen zur Mitarbeiterentwicklung. So schaffen Sie eine Grundlage für die Lösung.

Eine weitere schwierige Situation die in Seminaren häufig zur Sprache kommt: Morbus Korsakow und Verdacht auf Alkohol(miss)brauch

Die Situation ist wie folgt: Menschen im Pflegeheim sollen sich zuhause fühlen. Wohnt der Bewohner in einer offenen Einrichtung, kann er einkaufen gehen, kann er auch Alkohol kaufen. Rein haftungsrechtlich und aus dem Heimvertrag ergibt sich die Wahrung der Privatsphäre der BewohnerInnen. Damit auch das (berühmte, oft erwähnte) Recht zur Verwahrlosung.

Desgleichen gehört dazu, dass der Alkoholkonsum eine private Entscheidung bleibt, so lange keine anderen Bewohner davon betroffen sind oder z.B. die Medikamentengabe und Alkoholkonsum zueinander passen. Die Absprache mit dem Arzt bietet hier Rechtssicherheit.

Als Dozentin besuche ich viele Einrichtungen und im Rahmen von verständnisvoller Pflege bei herausforderndem Verhalten kommen regelmäßig Bewohner mit erhöhtem Alkoholkonsum in unsere Fallstudien.

Anhand solch einer Fallstudie möchte ich Auffälligkeiten, die Schwierigkeiten der Mitarbeiter und den Verdacht auf problematischen Alkoholkonsum darstellen:

im vorliegenden, sehr typischen Fall: Bewohner <60, alleine unter dreißig meist immobilen, schwerst dementen Menschen die viel älter sind als er.

Die pflegerische Anamnese der Situation ergab:

  • anfänglich seltener, dann häufiger alkoholischer Atemgeruch (“Fahne”), speziell wenn der fahrende „Kaufladen“ an der Einrichtung war. Eingekauft wird mit Rucksack, der auf dem Weg zum Kaufmann leer und zurück zum Zimmer schwer am Rücken hängt
  • die folgenden drei Tage nach dem Einkaufstag ist er anhaltend alkoholisiert
  • generell zeigt er nüchtern eine auffallende Hilfsbereitschaft und Stimmungsschwankungen von sehr freundlich bis zum gefährlichen Schubsen von anderen Bewohnern im Rollstuhl
  • Boxen und lautstarkes Beschimpfen von Bewohnern die Stereotypien (Rufen, Lautieren, Klopfen) aufzeigen
  • körperliche/ gesundheitliche Auffälligkeiten: Magenschmerzen, Brechreiz, Übelkeit, öfters unsicherer Gang, lallende Sprache
  • Depressionen, Aggressionen, Gereiztheit, Angstschübe, all das ist in der Mimik schon eingezeichnet/eingebrannt
  • Gedächtnisverlust (“Filmriss”) und damit einhergehend klare Ablehnung der Konfrontation mit dem Fehlverhalten
  • die Konfrontation (fragwürdig) durch Mitarbeiter wird mit Aggression beantwortet
  • Selbstmitleid (er berichtet: die Aufnahme in die Einrichtung sei ein Fehler des Doktors)
  • Stehlen von Geld, kleinen Beiträge und Zigaretten erbitten von Mitarbeitern und Bewohnern, Verschuldung bei anderen Bewohnern
  • Verwahrlosung, Vernachlässigung der Körperpflege, Ablehnung von Hilfsangeboten zur Teilübernahme der körperlichen Versorgung
  • lautstarker Streit mit Angehörigen/Bekannten die zu Besuch kommen
  • letztendlich regelmäßiges, beleidigendes Verhalten gegenüber den Pflegekräften, wenn die angebotene Hilfe nicht angenommen wird

Was ist zu tun, was ist das Beste für den Erkrankten mit Morbus Korsakow und seine Umgebung?

    • Dokumentation mit Uhrzeit und genauen Beobachtungen über einen angemessenen Zeitraum für das Arztgespräch. Die Einrichtungsleitung sollte in Lösungsgespräche eingebunden werden. Angemessene Information und Einbindung von Angehörigen und gesetzlichen Vertretern.
    • falls Strukturen vorhanden sind, wie z.B. Pflegeeinrichtungen in der Nähe, die hauptsächlich Menschen mit chronisch mehrfachgeschädigten Syndrom durch zu hohen Alkoholkonsum versorgen, mit Amnestischem Syndrom oder M. Korsakow aufnehmen, kann ein Einrichtungswechsel in Erwägung gezogen werden.
    • In ländlichen Gegenden ist es jedoch ein glücklicher Zufall, wenn das möglich ist – meist werden diese Menschen im teilintegrativen Pflegekonzept versorgt, mit den entsprechenden Schwierigkeiten für alle, den Betroffenen selbst, Mitbewohner und Mitarbeiter. Doch auch die Integration ist möglich, bis zu einem gewissen Punkt. Es ist nicht einfach, doch machbar. Und wenn alle pflegerischen und betreuungsorientierten Lösungsideen ausprobiert sind, geht die Verantwortung zur angemessenen medizinischen Versorgung an den Arzt zurück.

Hilfen für Mitarbeiter und ganze Teams anzubieten, die Pflege und Betreuung von Korsakow-Patienten zu verbessern und mehr Ruhe in den Pflegealltag zu bringen, das ist mein Ansinnen in meinem Seminar:

Hinweis der Dozentin: Jeden Beitrag habe ich gemäß meiner Erfahrung und meines Wissens geschrieben. Seit 23 Jahren sehe ich in meinen Seminaren als Dozentin für Pflegeberufe jährlich >1500 Mitarbeiter. Für Stammkunden – teilweise über Jahre – arbeite ich an den Konzepten der Mitarbeiterentwicklung mit. Aus diesem Blickwinkel sind meine Beiträge entstanden und das Angebot meines Wissens. Manche Vereinfachung von Sachverhalten, auch kleinere Unschärfen gehen an die Kürze und leichte Verständlichkeit der Berichte. Ein Blick in meine Seminarausschreibungen geben mehr und genauere Informationen, mehr noch in den Seminaren selbst. Andere Berufsgruppen in der Bewohner- und Patientenversorgung mögen eine unterschiedliche Sichtweise haben, die ich schätze und auch gerne für beide Seiten bereichernd diskutiere. Schreiben Sie an info@horvath-pflege.com.

 

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