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SIS – die schlanke Dokumentation in schlanker Zeit erlernen?

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SIS – Strukturierte Informationssammlung

Geschichtliches:

2013 hatte die Ombudsfrau Elisabeth Beikirch – gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband, den Verbänden der Pflegeanbieter und dem Deutsche Pflegeverband für Pflegberufe (DBfK) – dem Bundesgesundheitsministerium Empfehlungen zur Minimierung des Dokumentationsaufwands vorgelegt. Damit war der Weg geebnet.

Ab 2014, unter der Führung des „Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege“ – so der offizielle Titel von Karl-Josef Laumann, der dieses Amt 2014 auch zugesprochen bekam. So begann dann die Geschichte der SIS.

Beteiligt an der Entwicklung waren die Spitzenverbände der Einrichtungs- und Kostenträger sowie der Kommunen, der MDKs, der Prüfdienst der Privaten Krankenversicherung und die Pflegeberufsverbänden sowie den Bundesländern.

Politische Entscheidungen vs. Pflegequalität

Ein guter Politiker hat gute Berater, doch Pflegeexpertise kann man Karl-Josef Laumann allerdings gar nicht zuschreiben. Er wollte zuerst Bauer auf dem Familienhof werden. (Da war er der Pflege wohl am Nähesten) Sein Ausbildungsberuf ist Maschinenschlosser. Ab 1974 wurde er Mitglied der CDU und startete so seine Karriere in der Politik. Zitat Wikipedia: Laumann war der erste Spitzenbeamte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der mit einem Hauptschulabschluss und ohne akademische Qualifikation zum beamteten Staatssekretär auf Bundesebene ernannt wurde. Es kann sein, dass die Qualifikation des verantwortlich zeichnenden Politikers nicht ganz so wichtig ist, sondern die der entwickelnden Pflegeexperten. Doch ich erinnere mich an mehrere Interviews, die mich sehr geärgert haben, da fachliche Expertise von Laumann präsentiert wurde, die gar nicht vorhanden war. Ähnlich wie danach Hermann Gröhe, der „Stellen in der Pflege“ versprach und die Anzahl der Alltagsbegleiter erhöhte und in Interviews mit der Erleichterung prahlte. Claus Fussek, Deutschlands bekanntester Pflegekritiker (seit 01/22 im Ruhestand), sprang damals fast aus dem Anzug.

Im Rahmen der Altenpflegemesse 2014 wurde der Abschlussbericht zum Strukturmodell (SIS) dem Publikum vorgestellt, 2015 begann die Einführung.

SIS – Strukturierte Informationssammlung – Die Entbürokratisierung der Pflege ist gelungen?

Wie immer gibt es zwei Seiten. Ich sehr aus meiner Dozentenperspektive, dass dem nicht ganz so ist – zumindest in meinen Beobachtungen in Seminaren mit Anleitung zu SIS. Größter Schulungsposten sind die Formulierungshilfen und die Vollständigkeit der Maßnahmenplanung. Die Qualität der Bewohnerversorgung hängt davon ab. Eine notwendige Maßnahme nicht geplant, fällt bis zur nächsten Evaluierung einfach weg – wenn das Fehlen auffällt. Fragen sie Träger der Altenhilfe, die sind begeistert.

Doch zuerst zu den Vorteilen:

  1. Standardisierung: Durch die Verwendung einer strukturierten Informationssammlung wird eine standardisierte Herangehensweise an die Pflege gewährleistet.
  2. Konzentrierung der Pflegeprobleme: vormals 13 ABEDLs sind nun in 6 Themenfelder zusammengefasst
  3. Effizienz: Eine strukturierte Informationssammlung ermöglicht es Pflegefachkräften, wichtige Informationen schnell zu erfassen und zu dokumentieren, was Zeit spart und die Effizienz erhöht.
  4. Präzision: Durch die Verwendung von SIS Pflegefachkräfte sicherstellen, dass alle wichtigen Informationen erfasst und dokumentiert werden, was zu einer präziseren und umfassenderen Pflegeplanung führt.
  5. Kommunikation: Eine strukturierte Informationssammlung verbessert die Kommunikation zwischen den verschiedenen Mitgliedern des Pflegeteams, da alle dieselben Informationen auf eine einheitliche Art und Weise erfassen und dokumentieren.
  6. Verbesserte Patientensicherheit: die SIS trägt dazu bei, dass wichtige Informationen über den Gesundheitszustand eines Patienten erfasst und dokumentiert werden, was zu einer besseren Patientensicherheit führt.
  7. Bewertung der Pflegequalität: die SIS ermöglicht es Pflegefachkräften und Gesundheitsdienstleistern, die Qualität der Pflege zu bewerten, indem sie die Dokumentation vergleichen und bewerten, ob alle wichtigen Informationen erfasst wurden.
  8. Der Faktor Zeit: Wenn es um den Zeitfaktor geht, sind viele Altenpflegeeinrichtungen begeistert von der Strukturierten Informationsansammlung (SIS), rund 80% der Einrichtungen und ambulanter Dienste haben sich inzwischen dafür entschieden. z.B. kostete die ABEDL-Dokumentation 2,7 Milliarden Euro pro Jahr (2009) und hatte durchschnittlich 15 Seiten Doku/Bewohner, die seitenlange Schreibarbeit war hochkomplex, starr und aufwendig.

SIS – Strukturierte Informationssammlung – Herausforderungen

Die Aufgaben der Pflegefachkraft sind umfassender, verlangen mehr Fachkraftzeit, die im Pflegeablauf fehlt, einige Beispiele aufgegriffen:

  • Risikomatrix mit Nennung und Ausarbeitung der bestehenden Risiken ggf. mittels Risikoassessments?
  • die umfassende Maßnahmenplanung, anhaltende Überprüfung und Neubewertung braucht die Zeit der Pflegefachkraft. Ist der Zeiteinsatz wirklich weniger, als bei der ABEDL-Pflegeplanung? Pflegeassistenten konnten da mehr eingebunden sein. Bei der SIS-Doku haben sie ihr Berichteblatt und geben relevante Infos weiter.
  • Unnötige und vor allen Dingen zeitraubende Dokumentationsschritte sollen nunmehr der Vergangenheit angehören. Auch da sehe ich noch nicht so viel Verbesserung.
  • Anderes Beispiel: Pflegefachkräfte, die nicht muttersprachlich Deutsch sprechen als Schichtleitung können die SIS nicht dokumentieren, die Arbeit wird dann auf andere Teammitglieder umgelegt. Nicht nur bei einem Kunden höre ich, dass Pflegefachkräfte länger bleiben – ohne Bezahlung, da Überstunden nicht geleistet werden dürfen, um die SIS anzufertigen. Damit wir uns jedoch nicht missverstehen, der Zuzug von Pflegefachkräften aus dem Ausland ist unsere einzige Chance, dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Ich begrüße die Integration – stelle nur die damit verbundenen Herausforderungen in unser Blickfeld.

SIS – Strukturierte Informationssammlung – Schwierigkeiten

  • Mangelnde Kommunikation mit dem Patienten: Ein Patient kann möglicherweise nicht in der Lage sein, seine Symptome oder medizinischen Vorgeschichte klar zu kommunizieren. Dies kann die Fähigkeit des Pflegepersonals beeinträchtigen, eine vollständige und genaue Informationssammlung durchzuführen.
  • Zeitliche Begrenzung: In der Pflege kann es aufgrund der hohen Arbeitsbelastung schwierig sein, genügend Zeit für eine gründliche Informationssammlung zu finden. Dies kann dazu führen, dass wichtige Informationen übersehen oder übersehen werden.
  • Dokumentation: Die Dokumentation kann zeitaufwendig und komplex sein, insbesondere wenn es um die elektronische Dokumentation geht. Das Pflegepersonal kann möglicherweise nicht genügend geschult sein, um die Dokumentation effektiv zu führen, was zu unvollständigen oder ungenauen Aufzeichnungen führen kann.
  • Datenschutz: Das Pflegepersonal muss sicherstellen, dass es alle erforderlichen Datenschutzrichtlinien einhält, wenn es vertrauliche Informationen sammelt und dokumentiert. Dies kann zusätzliche Zeit und Aufwand erfordern.
  • Subjektivität: Eine strukturierte Informationssammlung erfordert eine objektive Betrachtung der Symptome und der medizinischen Vorgeschichte eines Patienten. Dies kann schwierig sein, da das Pflegepersonal möglicherweise voreingenommen ist oder von persönlichen Meinungen beeinflusst wird.
  • Kulturelle Unterschiede: In der Pflege kann es schwierig sein, Informationen von Patienten zu sammeln, die aus verschiedenen kulturellen Hintergründen stammen. Unterschiede in der Sprache und den kulturellen Normen können die Informationssammlung erschweren. Es ist wichtig, dass das Pflegepersonal kulturelle Sensibilität zeigt und versucht, diese Unterschiede zu berücksichtigen.
  • Sprachbarrieren: Bei der Pflege von Patienten mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und Sprachen können Sprachbarrieren eine strukturierte Informationssammlung erschweren oder Pflegefachkräfte, die nicht muttersprachlich Deutsch sprechen haben große Schwierigkeiten mit der Dokumentation. Andere Kollegen übernehmen und haben dann zu wenig Zeit für ihre Aufgaben.

SIS – die schlanke Pflegedokumentation auch in „schlanker“ Zeit erlernt?

Wie alles, braucht auch das seine Zeit. Haben die Mitarbeiter bis zur Umstellung papiergestützt dokumentiert, braucht das Erarbeiten einer Software zusätzliche Zeit.

Und so geht es: Die individuellen Bedürfnisse von pflegebedürftigen Menschen werden direkt in eine Maßnahmenplanung umgesetzt. Dies erfolgt schon mit dem Erstgespräch zwischen pflegebedürftiger Person und Pflegefachkraft. Dabei wird die individuelle Pflegesituation in fünf Themenfelder eingeschätzt.

  • Kognition und Kommunikation
  • Mobilität und Bewegung
  • Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen
  • Selbstversorgung
  • Leben in sozialen Beziehungen
  • Für den stationären Bereich kommt noch die Kategorie „Wohnen/Häuslichkeit“ und für die ambulante Versorgung „Haushaltsführung“ dazu.

Mit der strukturierten Erfassung des pflegebedürftigen Menschen in seiner Gesamtheit ist der nächste Schritt, die persönlich zugeschnittene Maßnahmenplanung aufzubauen recht einfach.

Für die Mitarbeiterschulung sind deshalb folgende Seminarthemen nutzvoll

  • Übersicht, gesetzliche Grundlagen und Kennzeichen des Strukturmodells
  • Aufnahmegespräch und strukturierte Informationssammlung
  • Bezug von SIS und NBA – Neues Begutachtungsassessment
  • Themenfelder (stationär und ambulant)
  • Matrix der jeweiligen Pflegerisiken
  • Maßnahmenplanung und Pflegebericht für die individuelle Versorgungssituation anhand von Beispielen und Fallstudien
  • Formulierungshilfen zur Dokumentation – Beispiel
  • praktische Dokumentationsübungen mit Evaluation

Mein Seminar zum Thema:

Hinweis der Dozentin: Jeden Beitrag habe ich gemäß meiner Erfahrung und meines Wissens geschrieben. Seit 23 Jahren sehe ich in meinen Seminaren als Dozentin für Pflegeberufe jährlich >1500 Mitarbeiter. Für Stammkunden – teilweise über Jahre – arbeite ich an den Konzepten der Mitarbeiterentwicklung mit. Aus diesem Blickwinkel sind meine Beiträge entstanden und das Angebot meines Wissens. Manche Vereinfachung von Sachverhalten, auch kleinere Unschärfen gehen an die Kürze und leichte Verständlichkeit der Berichte. Ein Blick in meine Seminarausschreibungen geben mehr und genauere Informationen, mehr noch in den Seminaren selbst. Andere Berufsgruppen in der Bewohner- und Patientenversorgung mögen eine unterschiedliche Sichtweise haben, die ich schätze und auch gerne für beide Seiten bereichernd diskutiere. Schreiben Sie an info@horvath-pflege.com.
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